Fit wie die Profis
Athletiktrainer Tim Riedel von Bayer 04 Leverkusen gibt im Interview Tipps für eine erfolgreiche Vorbereitung auf die neue Saison.Tim Riedel hilft Talenten von Bayer 04 Leverkusen dabei, fit für die Profi-Karriere zu werden. Der Athletiktrainer arbeitet bereits seit sechs Jahren im Nachwuchsleistungszentrum (NLZ) des Vereins und hat in dieser Zeit unter anderem Kai Havertz durch mehrere Vorbereitungsperioden begleitet. „Mit dem richtigen Training kannst Du unglaublich viel aus deiner Mannschaft herausholen und das Verletzungsrisiko enorm senken“, sagt der studierte Fitnesswissenschaftler.
In der Vorbereitung haben wir uns mit dem 35-Jährigen zum ausführlichen Interview getroffen. Wie mache ich meine Mannschaft fit für die Saison: mit Laufschuhen oder in Spielformen? Mit Intervallen oder Sprints? Und sollte ich meine D-Jugend im Liegestütz pumpen lassen? Auf den folgenden Seiten erfahrt ihr wichtige Details für eure Vorbereitung.
Tim, wie kann ein Trainer in der Vorbereitung das Beste aus seinen Jungs, Mädels oder Junioren herausholen?
Man sollte einen guten Kompromiss aus athletischen und spielerischen Elementen finden. Zu Beginn mit einem Fokus auf Grundlagenausdauer, mit der Zeit werden die Belastungen immer intensiver.
Das klingt jetzt erstmal recht einfach.
Vielleicht. Aber so wie zum Teil trainiert wird, würde ich den einen oder anderen Trainer – natürlich nicht bei Bayer 04 – am liebsten Mal ordentlich schütteln. Weitläufig verbreitete Meinungen zum Thema Krafttraining sind da so eine Sache. Es scheint also gar nicht so simpel zu sein.
Fangen wir doch mal von vorne an. Die Profis der Werkself beginnen die Vorbereitung mit einer Leistungsdiagnostik. Geht das auch mit einfach Mitteln in der Bezirksliga?
Ja, da brauchst Du tatsächlich nur eine Stoppuhr.
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Zum Beispiel mit dem ‚Beep-Test‘. Damit lässt sich die Verfassung des Spielers im Grundlagenbereich feststellen: ‚Beep-Test‘ ins Smartphone eingeben, eine App herunterladen und ab geht´s. Der ist mit ein paar Hütchen aufgebaut und in einer halben Stunde abgefrühstückt.
Was bringt der Test?
Damit ermittelt man den VO2max-Wert. Der gibt an, wie viel Sauerstoff der Körper während einer maximalen Ausbelastung aufnehmen kann. Ein höherer VO2max bedeutet höhere Sauerstoffaufnahme bedeutet bessere Ausdauerleistungsfähigkeit. Die App zeigt den Wert an und mit einer Tabelle lässt sich der Spieler bewerten. Ist er gut oder schlecht und wie sollte er trainieren?
Kennst Du weitere, für den Amateurbereich sinnvolle Tests?
Den ‚Illinois Agility‘-Test für die Gewandtheit kann ich noch empfehlen. Auch hier einfach mal googlen. Der ‚Sprint‘-Test ist fast selbsterklärend: Hütchen aufbauen, Zeit stoppen, fertig. Diese drei Tests: Beep, Illinois Agility und Sprint reichen vollkommen aus, um Spieler einzuschätzen.
Das hört sich in der Theorie gut an! Jetzt kommt der eine mit 20 Kilo zu viel ins Training und der andere war schon dreimal im Wald. Wie übertrage ich die Ergebnisse aus den Tests ins Mannschaftstraining: Einen Durchschnittswert ansetzen, oder den Jungs individuelle Aufgaben stellen?
Wenn fast die gesamte Mannschaft schlechte Grundlagen hat, kann der Trainer das im Mannschaftstraining trainieren lassen. Sind die Level sehr unterschiedlich, können die Spieler mit individuellen Aufgaben bedacht werden: ‚Ihr drei habt keine guten Grundlagen. Wollt ihr die Wochen zweimal ein kleines Läufchen machen? Dann seid ihr auf der Höhe.‘ Wenn ein Spieler bereit ist, selbständig an sich zu arbeiten, super! Der braucht vielleicht einfach nur seine Testergebnisse.
Wie sollte die Grundlagenausdauer trainiert werden?
Man sollte die Belastung im Spiel zu Beginn mit Laufschuhen simulieren. Eine Halbzeit lässt sich in zwei Mal zwanzig oder vier Mal zehn Minuten splitten. Das wird dann mit jeweils zwei, drei Minuten Gehpausen zwischen den Blöcken gelaufen. Das ist der Grundlagenbereich im Fußball. Da rennt man nicht 45 Minuten im gleichen Tempo, sondern hat auch mal entspannte Phasen drin.
Sollte man Ausdauer langsam aufbauen, oder können schon in der ersten Woche Intervalle gelaufen werden?
Es ist sogar gut, wenn man verschiedene Energiebereitstellungssysteme im Wechsel trainiert. Das heißt: Wenn Du dreimal pro Woche Training hast, dann machst Du zwei Einheiten Grundlagen und eine als Intervall-Einheit. Dann passt sich der Körper besser an. In der nächsten Woche machst Du dann zwei Intervalle und einmal Grundlagen. In der dritten Woche kommt eine schnellere Intervall-Methode dazu und so weiter. So wird das immer intensiver.
Sind Einheiten ohne Ball denn sinnvoll? Oft hört man ja, dass der klassische Waldlauf nicht mehr zeitgemäß sei.
Jein. Wir versuchen, viele Grundlagen fußballerisch zu erarbeiten. Weil die Jungs tatsächlich wenig Lust haben, ständig die Laufschuhe anzuziehen. Oder man mischt das, teilt drei Mannschaften ein. Die eine spielt Fußball, die andere läuft und die dritte geht durch einen Konditionsparcours mit Ball.
Gerade bei Läufen ist das Gejammer in der Mannschaft groß, das sei zu anstrengend. Nehmen wir an, ein Team trainiert dreimal pro Woche. Ist denn Übertraining bei solchen Umfängen möglich?
Nein, da kann man eigentlich gar nichts verkehrt machen. Der Trainer sollte nur schauen, wann das Spiel am Wochenende ist. Wenn das dritte Training am Freitagabend stattfindet und am Samstag das Spiel, würde ich keine neunzig, sondern vielleicht sechzig Minuten trainieren. Das war es aber auch schon.
Wie sollte sportartspezifische Kondition, also meist Intervalle, trainiert werden?
Das kommt auf den Trainer an. Ich finde, man sollte das so spezifisch wie möglich machen. Wenn die Mannschaft echt gar keinen Bock auf Laufschuhe hat, könnte das in einer Spielform von 6 x 4 Minuten geschehen. Wenn ein großes Fußballfeld zur Verfügung steht, kann man das doch nutzen – spielnäher geht es nicht.
Bei einer Spielform, da ruht sich doch die Hälfte aus.
Leider gibt es das Problem tatsächlich. Da sollte man an die Vernunft der Spieler appellieren. Ich sage zu meinen gern: „Wenn Du deine Maschine so trainierst, dass sie 50 PS gewohnt ist und am Wochenende auf einmal mit 100 PS Gas gibst, dann geht der Motor auch mal hoch“. Wer verletzungsfrei bleiben will, muss in der Vorbereitung Gas geben. Ich denke, wenn man das dem Spieler über seine Gesundheit erklärt, klappt das. Da muss man ein bisschen Fingerspitzengefühl haben.
Sollte auch im Amateurfußball Krafttraining – oder umgangssprachlich „Stabi“: Sit-Ups, Liegestütze, etc. – eingesetzt werden?
Ja! Der Körper sollte auf die Belastung, die da kommt vorbereitet werden. Je besser Du in diesem Bereich bist, desto besser bist Du auf dem Platz. Stabilisationsübungen sind unabdingbar.
Inwiefern ist es sinnvoll, Schnelligkeitstraining einzubauen? Diese Fähigkeit hängt ja in großem Maße von genetischen Anlagen ab.
Man sollte das auch mal isoliert trainieren. Einfach nur Sprints, damit sich der Körper an die Geschwindigkeit anpasst. Die Spieler werden dadurch nicht viel schneller, aber der Körper wird sich auf die Belastung vorbereiten und kann ihr standhalten. Dann gibt es weniger Verletzungen bei schnellen Bewegungen. Nach den Sprints wird das in kleinen Spielformen mit schnellen, kurzen Richtungswechseln auf den Platz gebracht.
Und wenn ein Spieler wirklich schneller werden will?
Einen echten Mehrwert bietet Krafttraining. Die schnellsten Sportler der Welt auf den ersten Metern sind Kugelstoßer. Einfach weil sie wahnsinnig viel Power haben. Für regelmäßige Kniebeugen und ähnliches ist im Mannschaftstraining natürlich wenig Zeit. Da müssen die Spieler selbst aktiv werden.
Wie sieht es mit Krafttraining im Junioren-Bereich aus?
Da ist Krafttraining unfassbar wichtig. Gerade im Wachstum. Stell dir vor, die Nervenbahnen eines 1,50 Meter großen Teenagers sind eine vierspurige Autobahn. Jetzt wächst er und das Ganze zieht sich auseinander. Auf einmal ist die Autobahn länger und hat nur noch zwei Spuren. Der ganze Informationsfluss hat sich verändert. Mit Krafttraining entwickeln die Jungs wieder ein Körpergefühl. Wir fangen ab der U9 an, ihnen die Techniken für Kniebeugen, Ausfallschritte oder einen Liegestütz beizubringen. Das machen sie dann mit eigenem Körpergewicht. Ab der U15 kommen Gewichte, Hanteln dazu. Das ist unabdingbar. Und: Es ist wichtig für die Prävention. Sie verletzen sich viel seltener, weil sie sich ökonomischer, besser bewegen.
Nicht jeder Amateurverein wird sich Hanteln leisten. Was aber darf im Materialraum auf keinen Fall fehlen?
Hütchen natürlich. Stangen verschiedenster Art wie Steckstangen oder Varianten mit einem Sandfuß, die man beim Agilitätstraining mit Richtungswechseln sehr gut einsetzen kann. Eine Koordinationsleiter und kleine Hürden, die sind für Sprünge sehr interessant. Das alles kostet nicht viel, liefert aber einen großen Mehrwert, wenn man es einsetzen kann.
Ein letztes Thema: Verletzungsprophylaxe. Die Fitness ist entscheidend. Was noch?
Eine gesunde Ernährung und Schlaf. Ein Negativbeispiel, das ich leider auch von Kumpels kenne: ‚Wir spielen morgen, aber ich geh heute schön aufs Dorffest und trink mir einen rein.‘ Hm. Das ist natürlich kontraproduktiv. Schlaf ist sehr wichtig. Vor allem für Amateure, die tagsüber lange und vielleicht auch körperlich arbeiten und abends noch trainieren. Und zuletzt: Sich auf die Belastung gut vorbereiten, aufwärmen. Wenn Du ausgeschlafen bist, gut gegessen hast und dich ordentlich warm machst, deckst Du schon vieles ab.
Letztlich dient die Vorbereitung dazu, im ersten Pflichtspiel topfit auf dem Platz zu stehen. Wie lassen sich in den Tagen vor der ersten Partie die optimalen athletischen Voraussetzungen schaffen?
Die Vorbereitung muss natürlich gut gewesen sein und die letzte Woche sollte so trainiert werden, wie es auch in den Wochen danach passiert. Die Intensität sollte jetzt so gestaltet werden, wie während der Saison.
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